Transformation der Automobilbranche

Automobilbranche im Umbruch

Mit der Automobilbranche steckt ein für Deutschland und Europa extrem wichtiger Industriezweig derzeit in einem Transformationsprozess. Die Klimaziele der EU sehen eine Reduktion der im Straßenverkehr hervorgerufenen Emissionen um 100% bis 2035 vor. Bis 2035 müssen dementsprechend alle zugelassenen PKW emissionsfrei sein. Im Zuge der Transformation haben Autobauer und –zulieferer angekündigt, in Deutschland 12% der Arbeitslätze zu streichen, insgesamt sind das über 96.000 Stellen. Neben den süddeutschen Bundesländern ist Niedersachsen hiervon am stärksten betroffen. Der von ZF geschlossene Tarifvertrag „Transformation 2020“ zielt bis 2022 zwar auf keinen Stellenabbau ab, danach werden aber bis 2025 7.500 Stellen in Deutschland gestrichen.

Die deutsche Bundesregierung stellt ganz konkrete Hilfen bereit, um den Transformationsprozess zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu sichern. Im Rahmen des Zukunftsfonds Automobilindustrie stellt der Bund eine Mrd. Euro zur Verfügung, um u.a. für die Errichtung regionaler Verbünde zu sorgen, die im Bereich Elektromobilität international wettbewerbsfähig sind. Zuletzt hat die Bundesregierung außerdem ein Förderpaket für die Fachkräftesicherung in der Batterieindustrie mit 40 Mio. Euro aufgelegt. Ziel ist hier die Identifizierung und Förderung von Projekten, die bei der neuentstehenden Batterie-Wertschöpfung Aus- und Weiterbildungsbedarfe identifizieren und passende Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln und umsetzen. Adressaten sind u.a. Bildungsträger und Unternehmenscluster aus den Bereichen Automobilbauer, Chemie und Maschinenbau.

Die Transformation der Automobilindustrie findet in den Regionen statt. Industriepolitik sollte daher als Regionalpolitik verstanden werden. Deutlich gemacht werden muss, dass industriepolitische Projekte von staatlicher Seite nicht ohne die Bereitschaft von entsprechenden Branchenunternehmen erfolgreich sein können. Die aufgelegten Förderprogramme müssen auch wahrgenommen werden, damit einzelne Regionen nicht in strukturelle Abwärtsspiralen geraten.

Transformationsprozess sozialverträglich gestalten

Der Transformationsprozess des Automobilsektors muss sozialverträglich ablaufen und darf nicht zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gehen. Die Sicherung von Arbeitsplätzen sollte in diesem Zusammenhang als industriepolitische Gestaltungsaufgabe aufgefasst werden. Das betrifft z.B. auch die Sicherung von Fachkräften. Eine umfassende Auslagerung der Produktion im Automobilsektor hätte zur Folge, dass Deutschland den Status als Technologie- und Innovationsstandort verlieren würde. Die Unternehmen der Branche haben sich bspw. während der Corona-Pandemie auf Hilfen vom Staat verlassen. Es ist unverständlich, dass jetzt der Standort Deutschland durch einen Stellenabbau geschwächt werden soll.

Der Multidivisionsstandort Lemförde, der seit den 90er Jahren Teil von ZF-Friedrichshafen ist, gilt bislang als sicherer Arbeitgeber und stellt einen Stabilisator für die ganze Region dar. Durch die Nähe zur PHWT in Diepholz und Vechta und zur Dr. Jürgen und Irmgard Ulderup Stiftung, die 6,2% Unternehmensanteile an ZF-Friedrichshafen hält, bietet der Standort um den Dümmer ein optimales Umfeld, um hochqualifizierte Fachkräfte aus- und weiterzubilden, an dem unbedingt festgehalten werden sollte. Vor diesem Hintergrund und dem möglichen Stellenabbau im ZF-Konzern sollten frühzeitig Maßnahmen ergriffen werden, um dafür zu sorgen, dass die Situation in den Werken um den Dümmer weiterhin stabil bleibt. Es ist hierbei unabdingbar, die Belange der Belegschaft zu berücksichtigen und darauf hinzuwirken, dass die über die Jahre gewachsenen Bestände an Erfahrungen und Fachwissen nicht verlorengehen. Deshalb ist es schon jetzt an der Zeit, über Möglichkeiten nachzudenken, den Transformationsprozess in der Region sozialverträglich auszugestalten.

Beschäftigungspakt für die Automobilbranche

Um das sicherzustellen muss ein Beschäftigungspakt geschlossen werden. Dazu muss auch der Bund beitragen. Er muss für einen technologieoffenen Transformationsprozess sorgen. Die von ZF-Friedrichshafen verfolgten Pläne beruhen mitunter auch auf der einseitigen Fokussierung auf Elektromobilität, bei der Verbrennermotoren, die bspw. mit E-Fuels betrieben werden, außer Acht gelassen werden. Die in Diepholz gefertigten Schaltungen werden z.B. in reinen Elektrofahrzeugen nicht benötigt. Statt sich einseitig auf eine Technologie – in diesem Fall die Elektromobilität – zu verlegen, sollten Politik und Industrie bereit sein, sich auch auf Antriebsformen wie E-Fuels einzulassen. Das hätte auch zur Folge, dass Hochtechnologie, die über Jahre aufgebaut wurde, in Deutschland gehalten werden könnte. Die Europäische Industriestrategie nennt Technologieoffenheit als einen wichtigen Baustein, um in Zukunft die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft gewährleisten zu können. Maßgeblich hierfür ist aber auch Planbarkeit für die Unternehmen, damit diese sich nicht regelmäßig an neue Vorgaben anpassen müssen. Die Bundesregierung sollte gemeinsam mit der Automobilindustrie einen innovationsfreundlichen und technologieoffenen Weg beschreiten.

Außerdem müssen sich Unternehmen der Automobilbranche dazu verpflichten, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, insbesondere Qualifizierung und Weiterbildung von Mitarbeitern. Hierzu können die Fördertöpfe der Bunderegierung genutzt werden. Darüber hinaus kommen auch Maßnahmen wie die Reduzierung der Stundenzahl in Verbindung mit einem Einkommensverzicht, eine Verlagerung von Arbeitsplätzen in andere Standorte und, sofern möglich, Absprachen zur (Alters-)teilzeit und vorzeitigem Ruhestand infrage. Ein gangbarer Weg könnte außerdem das Best-Owner-Prinzip sein. Nicht mehr rentable Werke könnten durch einen Eigenkapital-Fonds übernommen und weiterbetrieben werden. Das ist möglich, weil für die hergestellten Produkte, auch wenn es sich um Auslaufmodelle handelt, eine Nachfrage besteht. Der Personalabbau läuft über die Altersstruktur der Betriebe ab. Wichtig ist, dass für die Arbeitnehmer Sicherheit besteht und diese integraler Bestandteil des Unternehmens bleiben.